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Die umstrittenen Schaufenster von Jelmoli.

 
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Freitag, 23. September 2011 / 10:32:00

Eine verpasste Chance

Das Zürcher Warenhaus Jelmoli richtete Anfang September seine Schaufenster im Stil der Kultserie «Mad Men» ein und erzählte gleichzeitig mit Sprechblasen eine Story mit den Schaufensterpuppen. Allerdings stiess diese bei vielen auf wenig Gegenliebe, da sie recht primitiv, ja sexistisch sei. Als der Tagesanzeiger darüber berichtete, reagierte Jelmoli mit einem Inserateboykott.

Wir haben mit unserer Kolumnistin und Medienspezialistin Regula Stämpfli, die für den ursprünglichen Tagi-Artikel nach ihrere Meinung zu den Schaufenstern befragt worden war, ein Gespräch zu diesem fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Medienskandal geführt.

news.ch: Jelmoli habe beim Versuch, den Hype um die Kultserie Mad Men in ihren Schaufenstern zu verwursten statt - wie in der Serie - Sexismus zu demontieren, sexistisches, frauenfeindliches Verhalten, wie in den 60er Jahren üblich, als etwas tolles dargestellt. Als darüber im Tagi berichtet wurde, reagierte Jelmoli mit einem Inserateboykott, schob aber nach, dass die Schaufenster nun abgeändert würden, um niemanden zu provozieren. Ist das nun Dummheit, Dreistheit oder einfach ein totaler Mangel an politischem Bewusstsein der Gestalter und vor allem - betreffend Inserateboykott - der Geschäftsführung?

Regula Stämpfli: Es ist alles zusammen, inklusive mangelndem Humor auf Seiten von Jelmoli. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Chance, das Schaufenster dieses traditionsreichen Warenhauses an bester Lage in Zürich zu bespielen! Stellen Sie sich weiter vor, dass Ihnen nichts Besseres in den Sinn kommt, als die kluge Retro-Perspektive von Mad Men in billigsten, frauen- und übrigens auch männerfeindlichen Badezimmerhumor umzusetzen. Solch mangelnde Kreativität eines Grossunternehmens macht wirklich fassungslos. Dieses fehlende Gespür für Ästhetik, diese völlige Abwesenheit von Ironie, Intelligenz und Witz.

news.ch: Jelmoli ist ein Warenhaus, das den Mainstream ansprechen soll. Ist es da nicht selbstverständlich, wenn gerade für ein Schaufenster nicht allzu künstlerisch und ironisch gedacht wird?

Regula Stämpfli: Im Gegenteil! Auch Jelmoli sollte seine Kundinnen nie unterschätzen! Da verbocken Schaufenstergestalter die Chance eines guten Themas und einer ästhetisch ansprechenden Installation. Sie üben sich in einer altbackenen Frauenfeindlichkeit, die so offensichtlich ist, dass eben auch der Mainstream reagiert.

news.ch: Deshalb kam es ja zum Artikel im Tagesanzeiger. Peter Aeschlimann nahm als Redaktor die diversen Reaktionen unter dem Titel «Sexistische Schaufensterpuppen» auf.

Regula Stämpfli: Und was tut Jelmoli? Annulliert die Inserate beim Tagesanzeiger und Newsnetz und verändert die Schaufenster! Echt: Wie wäre es mal mit einer guten Diskussion über Mode, Unternehmen und Sexismus? Hier zeigt sich auch die unendliche Provinzialität einer Zürcher Unternehmenskultur.

news.ch: Also beweist Jelmoli ihrer Ansicht nach leider, dass «Downtown Switzerland» noch nicht weit von der Niederdorfoper weg ist.

Regula Stämpfli: Richtig. Wobei die Niederdorfoper nun wirklich witziger, näher beim Volk und anregender ist, als eben die unendlich kleinkarierten Schaufenster, die, meiner Meinung nach, nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer in ihrer Intelligenz beleidigen. Dazu kommt die harsche, provinzielle Reaktion des Unternehmens Jelmoli. Ich habe vom CEO persönlich einen Brief gekriegt, der mich explizit auffordert, keine Stellungnahme zum Schaufenster zu verfassen. Dabei wäre hier die Chance der Transformation, der offenen und weiterführenden Diskussion zwischen Unternehmen, Wissenschaft und Kundinnen gegeben. Eigentlich einmalig das Ganze, zumal es ja in der kleinen Schweiz stattfindet, wo sich eh alle noch persönlich kennen.

news.ch: Sind die Jelmoli-Schaufenster ein Einzelfall oder repräsentieren diese Ihrer Meinung nach den Mainstream in der Wirtschaft und Politik?

Regula Stämpfli: Anhand der Jelmoli-Geschichte realisiere ich einmal mehr, wie sich einige Schweizer Unternehmen Dinge leisten, die beispielsweise in den 1990er Jahren einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hätten. Die übrigens auch in Frankreich einen Sturm der Entrüstung auslösen würden. Denken Sie doch an die Geschichte um DSK und die Reaktion der französischen Frauen. Da gab es einen lauten Aufruhr - die breite feministische Debatte kam in Meilenstiefeln voran. In Frankreich zeigt sich, dass der Unterschied zwischen Erotik und Verführung einerseits, und Porno, Sexismus als Unterdrückung andererseits wirklich verstanden wird. Die Aktion «ni pute ni soumise» (weder Hure noch Unterdrückte) ist grossartig und umfasst eine Mehrheit von Frauen in Frankreich. In Frankreich ist sogar Laeticia Casta eine Feministin! Aber in der Schweiz regiert punkto Spiel, Erotik und Humor zwischen den Geschlechtern nach wie vor der Holzhammer aus dem letzten Jahrhundert. Dies sowohl in den Unternehmen als auch in den Leitmedien ... leider.

news.ch: Erstaunlich ist ja, dass ausser Kleinreport und Radio1, also alles unabhängige, eher kleine Medienunternehmen (und jetzt auch news.ch) die doch happige Geschichte vom Inseratenboykott nicht aufgenommen haben.

Regula Stämpfli: Das spricht für mich Bände und sagt etwas über den Stellenwert von Sexismus in diesem Land aus. Stellen Sie sich vor, Migros hätte aufgrund eines kritischen Lebensmittelartikels im Tagesanzeiger die Inserate eingestellt. Sofort wären Fernsehen, Konsumentenmagazine, Medienprofessoren befragt worden, eingeschritten und es hätte eine Debatte über die Migros stattgefunden. Doch da es sich ja nur um «Sexismus» handelt, will sich niemand einklinken. Wobei klar ist: Ich hätte das Schaufenster gar nie von selber thematisiert, ich wurde zur Stellungnahme gebeten und habe klar «doof» konstatiert. Ich bin erst aktiv geworden, als Jelmoli so stark reagiert hat.

news.ch: Woran liegt es, dass in den Schweizer Medien sog. Frauenthemen völlig out sind?

Regula Stämpfli: In der Schweiz herrscht ein Diskursschema, das Frauen nun wirklich nicht als Subjekte, sondern ausschliesslich als Objekte behandelt, dies auch die Befunde der internationalen Studie «Who makes the news» für die Schweiz. Nehmen Sie beispielsweise die laufenden Wahlsendungen in den öffentlich-rechtlichen Medien. Experten sind durchwegs Männer. Frauen kommen als Moderatorinnen oder in ihrer Funktion zu Wort. Das Schema «Frau fragt, Mann antwortet» ist omnipräsent bei den grossen und entscheidenden Wahlthemen wie Migration, Finanzen und Parteien. Lediglich zur Gesundheit oder zur Kultur werden ab und an sogar Frauen als Expertinnen befragt.

news.ch: Braucht es allenfalls Verbote, damit dies in Zukunft nicht immer und immer wieder passiert?

Regula Stämpfli: Ich möchte eines ganz klar festhalten: Werbung verbieten ist meiner Ansicht nach völlig zu verwerfen. Die Kundinnen und Kunden sind klug genug, hier zu reagieren. Doch eine Diskussion über schlechte, menschenfeindliche Werbung zu behindern, ist ebenso inakzeptabel. Hier würde ich mir wünschen, dass es viele Gremien und Organisationen gäbe, die hier für die Demokratie, den Diskurs und die offene Gesellschaft einstehen würden. Doch da Alle alle kennen, wird entweder nichts gesagt oder Kritikerinnen totgeschwiegen.

news.ch: Jelmoli boykottiert nun die wenigen Medien, die auf deren «doofe» Fenster aufmerksam machten, diese Medien kuschen, die Sache wird vermutlich schon bald vergessen sein - was ist jetzt noch zu machen?

Regula Stämpfli: Das, was in der Schweiz schon längst anstünde: Ein anständiges Medienrecht, das den Namen auch verdient. Kurt Imhof hat in seinen Studien klar nachgewiesen, dass Qualitätsmedien sowie unabhängige Medien die Grundlage jeder Demokratie sind. Er hat ebenso klar gezeigt, dass die entscheidenden Standards in der Schweiz weder von den öffentlich-rechtlichen, noch von den privaten erfüllt sind. Ein erster Schritt zu einer besseren Medienordnung wäre sicher eine wirklich funktionierende Kartellkommission und nicht nur ein Pro-Forma-Gremium, sowie eine wirklich griffige Lauterkeitskommission.

et (Quelle: news.ch)

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  • kleinreport.ch
    Kleinreport zu der Sache.
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    Der Presserat zur Inseratboykotte.
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